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Der Tai Chi-Weg

Der Begriff Tai Chi wird durch das Yin-Yang-Symbol dargestellt, er bedeutet „das höchste Prinzip“. Chuan (Quan) heißt Faust, Tai Chi Chuan bedeutet also „kämpfen nach den Regeln des höchsten Prinzips“.

Tai Chi Chuan (neu: Taijiquan) ist eine innere Kampfkunst aus China. Ihre Ursprünge sind legendär, sie liegen wohl teilweise tatsächlich mehr als tausend Jahre zurück, konkrete Bezüge lassen sich aber erst sehr viel später benennen. Bestimmte Tai Chi Bewegungen scheinen wohl schon im Shaolin-Kloster zu Bodhidharmas Zeit (Gründer des Zen-Buddhismus) existiert zu haben, also vor 1500 Jahren. Sie wurden im Laufe der Zeit immer wieder verändert und weiterentwickelt, einiges ist über Okinawa vor gut hundert Jahren auch in die Entstehung des Karate eingeflossen. Legendär ist auch eine Geschichte aus dem 12. Jahrhundert, die berichtet, wie ein Meister den Kampf zwischen einem Kranich und einer Schlange beobachtete und dabei zur Erkenntnis über die Wirkung der weichen Energie gelangte. Im 17. Jahrhundert entstand der erste Familienstil (Chen), der nur im Geheimen innerhalb der Familie gelehrt und nie nach außen gezeigt wurde. Vor gut hundert Jahren war Tai Chi in China fast genauso unbekannt wie in Europa! Erst im 19. Jahrhundert konnten einzelne Außenstehende Tai Chi lernen. Später verbreitete es sich in der chinesischen Oberschicht, wobei nicht nur die grundlegend unterschiedlichen Stile Chen, Wu, Sun, Hao und Yang entstanden, sondern auch innerhalb des Yang-Stiles sich zahllose verschiedene Varianten entwickelten. Findet man z.B. im heutigen Karate weltweit nur minimale Unterschiede innerhalb einer Stilrichtung, so liegt das an einer streng hierarchischen Struktur in der Organisation und ihrer Ausrichtung auf die höchsten Dan-Träger in Japan. Tai Chi ist schon von seiner geistigen Grundhaltung her viel individueller, so daß jeder Meister im Grunde seine eigene Stilrichtung oder Varietät entwickeln konnte.

Ab 1911, mit der Abdankung des chinesischen Kaisers, bekam Tai Chi einen großen Popularitätsschub und verbreitete sich vor allem in den großen Städten schnell. Dennoch hüteten sich die Meister dieser Kampfkunst, es der breiten Masse nahe zu bringen.

Schon zehn Jahre vor Mao Tse Tungs Kulturrevolution von 1966 bis 1976 wurde Tai Chi beinahe endgültig ausgelöscht, denn der Kommunismus wollte alles Traditionelle, Geistige, Persönliche radikal aus der chinesischen Kultur ausmerzen. Nur im Untergrund konnten Einzelne im Verborgenen Wissen bewahren. Für die breite Öffentlichkeit der Bauern und Arbeiter wurde 1956 eine kastrierte Form entwickelt, die sogenannte "Peking-Form" oder „Staatsform“, der jeder geistige und energetische Bezug fehlte und die damit keine Gefahr für die totalitäre Diktatur darstellte. Der Begriff „Peking-Form“ weist auf die Verordnung durch die Staatsführung hin. In der Peking-Form wurden schon früh Wettkämpfe durchgeführt, um die Veräußerlichung des Tai Chi zu zementieren. Auch heute ist der Wettkampf im Tai Chi ein zentrales Thema in China, aber auch weltweit wird in vielen Stilen mittlerweile genau wie im Sport-Karate hauptsächlich für Wettkämpfe trainiert.

Das Partnertraining im Tai Chi Chuan diente ursprünglich zum Wecken und Kontrollieren des Chi, der Energie, und nicht dazu, vor Publikum mit Muskelkraft oder besonderem Stand jemanden umzuwerfen.

Man könnte das Erlernen des Tai Chi grob in drei Bereiche einteilen: Körperliche Übung, energe­tische oder geistige Übung, meditative Übung. Natürlich gehen diese Bereiche immer ineinander über und sind nicht wirklich voneinander getrennt.

Die körperliche Übung beginnt damit, den aufrechten und gleichzeitig entspannten Stand zu finden und ihn während der Bewegung nicht zu verlieren. Die – je nach Zählung 80 oder mehr – Formen bilden ein zusammenhängendes Ganzes, das sich weit im Raum entfaltet. Es sind sehr unterschiedliche Formen, die mit der Kampfkunst Kung Fu zusammenhängen und Abwehr oder Angriff darstellen. Sie lassen sich bei Bedarf auch als Partnertraining üben und auch für die Selbstverteidigung .

Die Geschwindigkeit, in der die Übungen ausgeführt werden, ist nicht festgelegt und hat unterschiedliche Wirkungen. Übt man schneller, spielt der Schwung eine Rolle und man versteht eher die Zusammenhänge der einzelnen Bewegungen. Übt man langsamer, so gerät man stärker in den geistigen oder sogar meditativen Bereich der Form, was verlangsamte Atmung und ruhiges Bewußtsein zur Folge haben kann.

Diese umfangreiche körperliche Schulung hat eine Reihe von positiven Ergebnissen für den Übenden: Verspannungen werden geringer, die Bewegungen geschmeidiger, das Gleichgewichtsgefühl bessert sich, das Gehirn bildet neue Synapsen für Hände, Füße, Hüftbewegungen (Gehirnjogging) – ein perfektes Anti-Alzheimer-Training. Das hat auch auf die physische Gesundheit Auswirkungen, indem wir wieder bodenständiger werden, standfester im Leben stehen, weniger oder nicht mehr krank werden.

Die energetische Übung geht aus der rein körperlichen hervor. Wenn wir zwischen den einzelnen Bewegungen keine Pausen machen, kommen wir in einen stetigen Fluß, der unglaublich entspannend ist und den Körper durchwärmt (logisch), eine ganz feine, starke Energie wird spürbar, die sich sehr kraftvoll anfühlen kann.

Das Sinkenlassen des Körperzentrums, das bei uns üblicherweise auf Kopf- und Schulterhöhe ist, in den Bereich des Bauches und der Hüfte (chin. Tan Tien, jap. Hara) verändert körperliche und seelische Bewegungsmuster, es zentriert uns, gibt uns die verlorene Mitte zurück, sowohl physisch (wir gehen z.B. tatsächlich anders) als auch psychisch.

Eine große Bedeutung haben auch die Fußsohlen im Tai Chi. Im chinesischen Tai Chi gibt es diese energetischen Übungen nicht, aber das Ausrichten des Bewußtseins auf die Empfindungen in den Fußsohlen aktiviert die Fußreflexpunkte und erdet uns zugleich – das erhöht z.B. die Streßresistenz und stärkt die Organe.

Wir können unsere Hände, unsere Hüfte und besonders unsere Augen zur Lenkung von Energie nutzen, vorausgesetzt wir sind schon in der Lage, das Chi wachzurufen und fließen zu lassen.

Bei diesen energetischen Übungen spielt unsere Vorstellung eine bedeutende Rolle, Gefühle und Empfindungen haben immer eine körperliche Auswirkung, im Gegensatz zu Gedanken, denen diese Wirkung fehlt.

Bewußtseinserweiternde Übungen sind die Konzentration auf einzelne Körperteile oder bei­spielsweise auf den Raum hinter uns während der Bewegung. Diese Chi-Übungen sind auch im Partnertraining anwendbar.

Unser Tai Chi ist meditatives Tai Chi - oder Tai Chi als zenbuddhistische Meditation. Diese Stufe ist dann erreichbar, wenn der Körper den ge­samten Bewegungsablauf von allein ablaufen lassen kann, ohne daß unser Wille und unser Bewußtsein eingreifen müssen. Der Inhalt eines me­ditativen Tai Chi ist nicht, aufmerksam die Bewegungen zu machen, auch nicht, uns nur auf den Ablauf zu konzentrieren. Aufmerksamkeit, Konzentration, Achtsamkeit - all das gehört noch nicht zur Meditation, das sind Vorübungen. Meditation ist Einheit. Einheit ist erst gegeben, wenn das konzentrierte oder aufmerksame Ich sich zugunsten eines ganz natürlich ablaufenden Prozesses zur Ruhe begeben hat, um erst wieder aufzutauchen, wenn es wirklich gebraucht wird. Meditatives Tai Chi ist Ausdruck einer Vollkommenheit, in der es nicht mehr um falsch oder richtig geht, sondern um vertrauensvolles Geschehenlassen, um den Zustand, daß Tai Chi sich selbst gestaltet, ohne das Zutun eines Ich. Ein anderer Ausdruck ist „selbstvergessen“.

Wer Tai Chi wirklich in seiner Tiefe ausloten und nutzen möchte sollte sich mit allen drei Stufen befassen, und nicht nur im Unterricht und nicht nur in der Form.

Im Lebensalltag des Berufes, in der Familie, bei sozialen Kontakten – überall kann man die verschiedenen Aspekte des Tai Chi nutzen, um das Leben reichhaltiger, fließender, erfüllender zu gestalten.

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